Mit dem Einzug der Gotik um das Jahr 1200, entſtanden in Nordfrankreich die erſten ebenfalls gotiſchen gebrochenen Schriften – gebrochen deshalb, weil der Schreiber die Angewohnheit hatte, die runden Bögen der einzelnen Buchſtaben zu brechen – gleich beiſpielsweiſe den Rundbögen von Kirchenfenſtern, die durch den gotiſchen Stil an ihrem höchſten Punkt einen Bruch erfuhren (lat. Fraktur).
Dadurch wurden die einzelnen Lettern ſchmaler und gerader an der Form. Nach dem Druck des erſten, weſtlichen Buches – der Bibel – durch Johannes Gutenberg 1455 hielt die gebrochene Schrift großzügig Einzug in Länder, wie z.B. England, Italien, Dänemark und Deutſchland. In letzterem werden ungefähr huntert Jahre ſpäter mehrheitlich alle deutſchſprachigen Texte in der neuen Schrift geſetzt, und daher auch oft im Auslande (z.B. Italien) als „Deutſche Schrift“ betitelt. Zwiſchen 1890 und 1940 erleben die gebrochenen Buchſtaben ihren Höhepunkt, und ſind an Schönheit und Vielzahl kaum zu übertreffen.
Das Verbot der gebrochenen Schrift durch die Nationalſozialiſten
1941 (md. Zr.) ließ Adolf Hitler durch den „Normalſchrifztenerlaſs“ den Gebrauch und das Lehren der gebrochenen Schrift verbieten, und betitelte ſelbe als „Judenlettern“. Von da an verſchwanden die gebrochenen Schriften nahezu gänzlich aus allen Druckwerken und wurden durch die „Lateiniſche“ Antiqua Schrift erſetzt. Bereits 1934 erwähnte Hitler auf einem Reichsparteitag:
„Eure vermeintliche gotiſche Verinnerlichung paſſt ſchlecht in das Zeitalter von Stahl und Eiſen, Glas und Beton, von Frauenſchönheit und Männerkraft, von hochgehobenem Haupt und trotzigem Sinn … Unſere Sprache wird in hundert Jahren die europäiſche Sprache ſein. Die Länder des Oſtens, des Nordens wie des Weſtens werden, um ſich mit uns verſtändigen zu können, unſere Sprache lernen. Die Vorausſetzung dafür: An die Stelle der gotiſch genannten Schrift tritt die Schrift, welche wir bisher die lateiniſche nannten […]“
In dem ſpäteren Normalſchrifterlaſs zur alleinigen Unterrichtung der lateiniſchen Schreibſchrift als neuer „deutſcher Normalſchrift“ ſteht:
„Die ſogenannte gotiſche Schrift als eine deutſche Schrift anzuſehen oder zu bezeichnen iſt falſch. In Wirklichkeit beſteht die ſogenannte gotiſche Schrift aus Schwabacher Judenlettern. Genau wie ſie ſich ſpäter in den Beſitz der Zeitungen ſetzten, ſetzten ſich die in Deutſchland anſäſſigen Juden bei Einführung des Buchdrucks in den Beſitz der Buchdruckereien und dadurch kam es in Deutſchland zu der ſtarken Einführung der Schwabacher Judenlettern.
Am heutigen Tage hat der Führer in einer Beſprechung […] entſchieden, daß die Antiqua-Schrift künftig als Normal-Schrift zu bezeichnen ſei. Nach und nach ſollen ſämtliche Druckerzeugniſſe auf dieſe Normal-Schrift umgeſtellt werden. Sobald dies ſchulbuchmäſſig möglich iſt, wird in den Dorfſchulen und Volksſchulen nur mehr die Normal-Schrift gelehrt werden.
Die Verwendung der Schwabacher Judenlettern durch Behörden wird künftig unterbleiben; Ernennungsurkunden für Beamte, Straſſenſchilder u. dergl. werden künftig nur mehr in Normal-Schrift gefertigt werden.
Im Auftrage des Führers wird Herr Reichsleiter Amann zunächſt jene Zeitungen und Zeitſchriften, die bereits eine Auslandsverbreitung haben, oder deren Auslandsverbreitung erwünſcht iſt, auf Normal-Schrift umſtellen.“
Im Anſchluſs wurden viele, teure Bleilettern mit gebrochenen Buchſtaben eingeſchmolzen, oder verſchwanden in die hinterſten Ecken der Druckereien.
Das Zeitalter der Rechenmaſchinen
Verboten iſt der Gebrauch der Gebrochenen Schrift nicht mehr, dennoch wurde ſie bis in das Rechnerzeitalter nahezu gar nicht mehr verwendet. Erſt mit den Möglichkeiten der modernen Technik und der Digitaliſierung von Schriften, den „Fonts“, fingen verſchiedene Künſtler damit an, die alten Schriften wieder zu neuem Leben zu erwecken; doch leider wird hier oft das Augenmerk kaum auf die Vollſtändigkeit des Zeichenſatzes gelegt, da ſich heute nur wenige bis ins Detail mit dem Weſen der Gebrochenen Schrift beſchäftigen. Zu einem kompletten Fraktur-Zeichenſatz ſollte ein Lang‑S, ſowie verſchiedene Ligaturen gehören. Auch wenn man dieſe eventuell nicht zur Anwendung bringen möchte, ſo ſollte man zumindeſt bei Bedarf die Möglichkeit durch eben einen ſolchen umfangreichen Zeichenſatz bekommen. Trotz der voranſchreitenden Digitaliſierung, die mittlerweile mit einer hohen Anzahl Gebrochener Schriften daherkommt, werden dieſe heuer nur vereinzelt in ſubkulturellen Kreiſen verwendet; dies meiſt nur in Form von Logos oder Warenaufdrucken.
Mir iſt zurzeit nur das Urholſtein Wochenblatt als Netzſeite bekannt, welche die Gebrochene Schrift auch für den Fließtext verwendet. Sollten Sie durch Zufall einer ſolchen Netzseite begegnen, würde ich mich in höchſtem Maße über einen Hinweis freuen!
Eine ſehr ſchöne Sammlung an korrekten und koſtenloſen Gebrochenen Schriften für den Rechner bietet z.B. Peter Wiegel, auf ſeiner Seite Catfonts.de an.